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Ernst Schmidt

(25.03.1905 - 22.12.1993)


Ernst Schmidt

Abb. 1: Ernst Schmidt mit seiner Konstruktion "B 250".


Geboren wurde Ernst Schmidt am 25. März 1905 in Nürnberg.

Während der Schulzeit begann 1914 der 1. Weltkrieg, in dem sein Vater (geb. 1879 in Zerbst, Anhalt, die Eltern hatten 1902 geheiratet) am 20. März 1915 vor Verdun fiel. In einer Zeit bedrückender politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse studierte Ernst Schmidt von 1923 bis 1926 am Technikum in Nürnberg, das er als Maschinenbau-Ingenieur sehr erfolgreich abschloss. Dem Studium vorausgegangen war -ganz modern aus heutiger Sicht - eine Lehrzeit bei MAN in Nürnberg.

Nach einer Tätigkeit als Betriebsassistent bei A.W. Faber-Castell in Stein bei Nürnberg ging Ernst Schmidt von Februar 1928 bis Juli 1929 nach Berlin und hatte sich dort bereits einen Namen als ideenreicher Konstrukteur gemacht.

Doch dann zog es ihn zurück nach Nürnberg. Gerade hatten die Zündapp-Werke ihre neue Fabrik bezogen. Im August 1929 begann Ernst Schmidt dort seine Laufbahn, 24 Jahre jung. Interessante Jahre lagen vor ihm, und schon herausragende technische Entwicklungen. Ab dem 1. Januar 1936 war er Chefkonstrukteur.

Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte 1936 u.a. die Konstruktion eines Motorrades mit Seitenwagen für extremes Gelände für die Wehrmacht und die Umkonstruktion des Motors K 500 zu einem kopfgesteuerten Hochleistungsmotor mit der Bezeichnung (erstmals!) KS 500.

Zündapp K 500 Zündapp KS 500

Abb. 2: Zündapp K 500.

Abb. 3: Zündapp KS 500.

Entscheidend aber war in diesem Jahr 1936 ein ganz anderes Thema: Ernst Schmidt wurde ein geheimer Sonderauftrag zur Entwicklung eines Flugmotors erteilt, weshalb man ihm zusätzlich zu seinem Konstruktionsbüro ein weiteres Büro in einem anderen Stockwerk einrichtete.

Mit diesem von Ernst Schmidt entwickelten erfolgreichen Flugmotor sind dann eine Reihe von Rekorden erzielt worden, so Geschwindigkeits-, Höhen- und Langstreckenflugrekorde. Ein Motor mit der Bezeichnung RLM 9-092 AO befindet sich im Deutschen Museum in München. (Modell Z 9-092; luftgekühlter 2 Liter Vierzylider - Reihenmotor verwendet in Klemm Kl 105, Gothaer Go 150, Bücker Bü 180, Siebel Si 202B, Fieseler Fi 253, LF1 Zaunkönig [Anm.d.Red.]) Siebel Hummel

Abb. 4: Siebel "Hummel".

Aber wie es im Leben so geht, auch bei Erfolg gibt es ja gelegentlich Meinungsverschiedenheiten, die sich damals offenbar nicht überwinden ließen und da NSU in Neckarsulm gerade einen Chefkonstrukteur suchte, bewarb er sich, wurde sofort engagiert und war ab 1. Januar 1939 bei NSU. Aufgabengebiet: Motorrad-Entwicklungen. Plötzlich aber war da noch etwas anderes: NSU hatte vom Heeres-Waffenamt des Deutschen Reiches den Auftrag zum Bau eines Gleiskettenfahrzeuges erhalten, später hieß es nur noch Kettenkrad. Dessen technischer Leiter war ausgefallen und Ernst Schmidt musste sofort die Weiterentwicklung übernehmen und tat das - wie gewohnt - mit Erfolg.

NSU Kettenkrad NSU Kettenkrad

Abb. 5: NSU Kettenkrad.

Abb. 6: NSU Kettenkrad.

Im September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Das Kettenkrad ging ab 1940 in Serienproduktion und wurde schon sehr bald überall an der Front eingesetzt, so in Nordafrika, Italien und dann im Russlandfeldzug.

Ernst Schmidt hatte die Erprobung des Kettenkraftrades persönlich - wie es seine Art war - unterstützt, d.h. er war immer wieder selbst am Steuer gesessen oder begleitete häufig Wehrmachtsoffiziere bei Testfahrten.

Seit 1935 war Ernst Schmidt mit Friederike Förster verheiratet, das Paar bekam 2 Söhne: Werner *1937 und Rudolf *1943. Ab 1942 wurde das Kriegsgeschehen zusehends schlimmer. Bombenangriffe trafen auch den Wohnort Heilbronn am Neckar. Frau und Kinder waren noch rechtzeitig vor dem schweren Angriff auf Heilbronn im Dezember 1944, bei dem 82% der Innenstadt zerstört worden waren, nach Niederbayern evakuiert worden. Ernst Schmidt blieb nach der Zerstörung des Wohnhauses bis Kriegsende 1945 in einem Notquartier bei befreundeten Bauern in der Nähe von Neckarsulm, bis auch das NSU-Werk schwer getroffen und völlig zerstört worden war.

Schon im Oktober 1945 war er wieder als Chefkonstrukteur bei Zündapp in Nürnberg. Zunächst durften freilich noch keine Motorfahrzeuge gebaut werden, sondern z.B. Einrichtungen für "Getreidemühlen".

Aber diese Zeit ging vorbei, man entwickelte und baute wieder Motorräder, so die DB 202, eine sehr erfolgreiche 200 ccm-Maschine und schließlich begann die Arbeit an Ernst Schmidts wichtigster Entwicklung bei Zündapp (außer dem Zündapp-Flugmotor), der später "Grüner Elefant" genannten KS 601, die nach einem großen Abschlusstest im Herbst 1950 auf dem Nürburgring ab dem Sommer 1951 in Serie ging und ausgeliefert wurde. Auch in den USA war die KS 601 übrigens bald sehr gefragt, wobei man in den USA schon die Weiterentwicklung kaufen konnte, nämlich die für die USA rot lackierte KS 601 Elastic, mit einer hochmodernen Hinterradschwinge.

E. Schmidt testet seine Konstruktionen Georg Weiß bei den Sixdays 1951

Abb. 7: Ernst Schmidt bei Testfahrten mit einem mit unterschiedlichen Gewichten belastbaren Spezialseitenwagen. Er pflegte stets seine Konstruktionen ausgiebigen eigenen Tests zu unterziehen!

Abb. 8: Georg Weiß mit seiner KS601 auf der Internationalen 6-Tage-Fahrt 1951 gewinnt eine Goldmedaille.

Zwischendurch gab es eine völlige Neuentwicklung bei Zündapp, diesmal mit einer Reverenz an die Damenwelt, nämlich einen Motorroller, die bald sehr beliebte Bella, ein sehr eleganter Motorroller, der etwas größere Räder hatte, als die meisten italienischen Roller-Vorbilder, wie z.B. die VESPA, und damit etwas mehr Fahrsicherheit versprach.

Abb. Zündapp Bella Abb. Zündapp Bella mit Steib Seitenwagen

Abb. 9: Zündapp Bella.

Abb. 10: Zündapp Bella mit Steib Seitenwagen.

Leider hatte sich ab Mitte der fünfziger Jahre die Motorradkonjunktur abgekühlt, der Motorradverkauf war stark zurückgegangen, Autos waren gefragt, man wollte "ein Dach über dem Kopf haben". Auch Ernst Schmidt, als Vater der KS 601 und der Bella (wie man zu seinem 50. Geburtstag in der Nürnberger Presse geschrieben hatte), war schon zu Beginn des Jahrzehnts nachdenklich geworden und hatte, inspiriert vom französischen 2 CV, der "Ente", die so erfolgreich in Frankreich und später auch in Deutschland (neben den FIATs), wurde, einen sehr hübschen Kleinwagen mit dem ja dafür ideal geeigneten KS 601 Boxermotor auf seinem Reißbrett gehabt...

Bei Zündapp konnte man sich jedoch damals leider nicht entschließen, die Zeit war noch nicht reif genug. Man baute dann bekanntlich den Janus-Kleinwagen, an die 6500 Stück sind wohl in den Jahren 1957 bis 1958 produziert worden.

September 1958: es waren nur noch 15 KS 601 in den vergangenen 9 Monaten produziert und ausgeliefert worden, der Umzug von Zündapp nach München war eingeleitet, die Bella und die Trophy-Modelle sollten dort künftig vom Band laufen, die KS 601 war nicht mehr im Produktionsprogramm, das Nürnberger Werk wurde verkauft.

Im September 1958 endete auch der Weg des Chefkonstrukteurs Ernst Schmidt bei den Zündapp-Werken.

Schon ab Oktober 1958 war Schmidt bei MAN in Nürnberg. Hauptschwerpunkte seiner Tätigkeit bei MAN waren die Entwicklung von Vielstoffmotoren, also Dieselmotoren, die mit verschiedenen Kraftstoffen betrieben werden können, Motoren, die besonders für Militärfahrzeuge von Bedeutung sind.

Als Oberingenieur ging Ernst Schmidt am 31. Oktober 1970 in den Ruhestand nach erfolgreichen Jahren bei MAN, dem Unternehmen, in dem er von 1921 bis 1923 erste Erfahrungen mit der Welt der Technik gesammelt hatte.

Auch im Ruhestand blieb freilich die inzwischen zur Legende gewordene KS 601, der Grüne Elefant, immer wieder ein Thema für Ernst Schmidt. Er freute sich übrigens sehr, als es plötzlich eine Renaissance der Motorräder gab. Und verfolgte mit großem Interesse, was seine "Nachfolger", die Konstrukteure in den USA, Japan, Italien und auch wieder in Deutschland an neuen Ideen verwirklichten. Aber auch die "Legende" lebte ja noch: überall in Deutschland gab es liebevoll gepflegte und oft auch restaurierte Grüne Elefanten und Ernst Schmidt war sehr glücklich über die Ehrenmitgliedschaft im KS 601-Club.

Dann war da ja das Jahr 1990, in dem das Museum für Industriekultur in Nürnberg eine Zündapp-Ausstellung gestaltet hatte, die mit sehr viel Einfühlungsvermögen und vor allem vielen schönen Ausstellungsobjekten präsentiert wurde. So waren selbstverständlich mehrere Modelle des Grünen Elefanten zu sehen, aber auch, und das freute Ernst Schmidt natürlich besonders, das letzte Modell, das er bei Zündapp noch entwickelt und gestaltet hatte, eine 250 ccm-Maschine mit Boxermotor (Modell B 250 [Anm.d.Red.]) erstmals (schon damals) elegant verkleidet (heute würde man sagen: ein Designer-Modell), vor dem er sich gerne fotografieren ließ. [Abb. 1]

Ausstellungsplakat

Abb. 12: Plakat der Zündapp Ausstellung im Museum Industriekultur in Nürnberg, 1990.

Zündapp Ausstellung

Abb. 13: Zündapp Ausstellung im Museum Industriekultur 1990.

Ernst Leverkus und Ernst Schmidt

Abb. 14: Ernst Schmidt im Gespräch mit dem Motorrad - Fachjournalisten Ernst Leverkus im Juli 1990.

Es war ein erfülltes Leben und Ernst Schmidt war bis zuletzt von hoher geistiger Präsenz und körperlich von erstaunlicher Fitness für sein Alter.

Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember 1993, ist Ernst Schmidt, völlig unerwartet, in Nürnberg gestorben.



Den vorstehenden Beitrag schrieb für das Rundschreiben des Zündapp-KS601-Club in dankenswerter Weise sein ältester Sohn Werner Schmidt.


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Werner Schmidt gestattete meisterdinger.de den Beitrag hier zu veröffentlichen und stellte neben einigen Farbbildern auch die beiden sw-Werksfotos zur Verfügung.
Meisterdinger.de sagt ganz herzlichen Dank!




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Stand: VII.2007